Die Dassanetch werden oft als die südlichsten Menschen Äthiopiens bezeichnet. Das Volk lebt im Dreiländereck Äthiopien, Kenia und Sudan, wobei die überwiegende Mehrheit der Volksangehörigen auf äthiopischem Staatsgebiet angesiedelt ist. Im Gebiet der Dassanetch liegen das Nordufer des Turkanasees sowie der Unterlauf des Flusses Omo samt Mündung. Das Volk umfasst knapp 50.000 Menschen. Diese letzten offiziellen Zahlen stammen von einer Volkszählung, die im Jahr 2007 in ganz Äthiopien durchgeführt wurde.
Die Angehörigen des Volkes der Dassanetch sind vorwiegend Hirten und Bauern. In den Dörfern betreiben sie Rinder- und Schafzucht. Auf ihren Äckern bauen sie neben Mais und Bohnen auch Sorghum an. Dabei handelt es sich um eine in Afrika weit verbreitete Hirsesorte. Lokale Märkte nutzen die Angehörigen der Dassanetch, um die Produkte ihrer Landwirtschaft zu verkaufen. Gleichzeitig kaufen sie dort Waren zu, die sie nicht selbst produzieren können. Da der Fluss Omo und der Turkanasee in ihrem Gebiet liegt, hätten die Dassanetch auch die Möglichkeit Fische zu fangen. Tatsächlich besteht offenbar eine im ganzen Volk weit verbreitete Antipathie gegenüber Fisch. So wird Fischfang nur in Zeiten extremer Dürreperioden betrieben.
Das Volk der Dassanetch wird in acht Stämme unterschiedlicher Größe unterteilt. Die größte Gruppe ist der Stamm Elele mit mehr als 6.000 Zugehörigen. Der kleinste Stamm der Ri'ele umfasst gerade einmal 600 Menschen. Einige der Stämme haben sich erst später dem Volk angeschlossen. Eine weitere Unterteilungsform bei den Dassanetch sind die Clans. Ein Clan ist wesentlich kleiner als ein Stamm. Ein einzelner Dassanetch fühlt sich eher seinem Clan, als seinem Stamm zugehörig. Es ist auch möglich, dass in einem Clan Menschen unterschiedlicher Stämme leben. Die Clans wiederum werden in Familien unterteilt. Damit sind jene Menschen gemeint, die in einem Haus wohnen.
Das populäre Dime-Ritual ist dafür verantwortlich, dass die Dassanetch auch als ‚Volk der Beschneidung‘ bezeichnet werden. Im Rahmen einer sechswöchigen Zeremonie werden erwachsene Männer beschnitten. Teilnehmen kann nur ein Mann, der eine Tochter hat, die die Pubertät schon erreicht hat. Meist wird das Ritual durchgeführt, wenn die Eheschließung der Tochter bevorsteht. Im Rahmen der Zeremonie werden viele Tiere geschlachtet. Zum Beispiel 10 Rinder und je 15 Ziegen und Schafe. Am Ende der Zeremonie sind die Teilnehmer außergewöhnlich gekleidet. Sie tragen beispielsweise ein Leopardenfell über den Schultern, einen Ochsenschwanz um den Arm gewickelt und bunte Federn im Haar.
Die weiblichen Angehörigen der Volksgruppe tragen traditionell Metallstücke an ihren aus Fell gefertigten Schürzen, sowie zahlreiche Reifen an Armen und Beinen. Beim Gehen entsteht dadurch ständig ein rhythmisches Geräusch. Die Sprache der Dassanetch wird in die Gruppe der West-Omo-Tana-Sprachen, eine Untergruppe der kuschitischen Sprachen, eingeordnet. Vergleichbar mit dieser Sprache sind die Sprachen der Abore und der El-Molo. Die Nachbarvölker haben eine andere Bezeichnung für das Volk. Sie sprechen von den Galeb, wenn sie die Dassanetch meinen. In der Literatur früherer Entdecker wurden für das Volk der Dassanetch oft auch die Bezeichnungen Merille und Reshiat verwendet. So hat auch der deutsche Entdecker Ludwig von Höhnel im Jahr 1888 von den Reshiat geschrieben. Dabei handelt es sich um die erste schriftliche Erwähnung dieses Volkes.